Die Jagdanlage Rieseneck ist ein einzigartiger Schauplatz der herzoglichen Jagdgeschichte Thüringens und wurde schon vor mehreren Jahrhunderten als ein besonderes Kleinod der Region angesehen. Schon immer war dieser Ort anziehend für jegliches Wild, welches sogar die Saale schwimmend überquerte um in den Genuss des reichlichen Futterangebots zu kommen. Aufgrund dieser günstigen natürlichen Umstände lag es für die Jägersleute nahe, gerade hier die Bedingungen für das Wildbret zusätzlich zu verbessern und bereits im frühen 16. Jahrhundert eine Lichtung mit Salzlecken anzulegen und somit den "Grundstein" für die Jagdanlage Rieseneck zu legen. Diese wurde in den folgenden Jahrhunderten Stück für Stück ausgebaut und besteht aus einem großen Wildacker mit Futterplätzen, 3 Laufgräben und zwei langen, unterirdischen Gängen, die in so genannte Jagdschirme münden. Diese kleinen überdachten Nischen dienten dazu, mehrere Personen und deren Waffen unterzubringen, um das Wild bequem beobachten und schießen zu können.

Die Jagdschirme und Pirschgänge waren zunächst nur mit Holz versteift und blieben nach oben hin offen. Erst nach dem 30-jährigen Krieg, im Jahre 1712 bis 1727, erfuhr die Anlage umfangreiche Baumaßnahmen und nahm unter der Leitung des Kammerherrn von Beust die uns heute bekannte steinerne Bauweise an. Etwa zu dieser Zeit befand sich die Anlage unter der Obhut des Forstknechts Hans Otto Köhler. Dieser verwaltete das Revier offenbar sehr erfolgreich, so dass der Wildbestand rasant zunahm und er sich einen ehrenvollen Platz in der Geschichte Mittelthüringens verschaffte. Eine Gedenktafel vor der Jagdanlage erinnert noch heute an den Forstbediensteten und dessen Hund.

Einige Zeit später gaben die Herzöge von Sachsen-Gotha-Altenburg die Jagdanlage den letzten Schliff und legten repräsentative Alleen und Reitwege an. So liebevoll hergerichtet erregte die Anlage bis in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts reges Interesse des hiesigen Adels und blieb bis in das erste Drittel des 19. Jahrhunderts beliebter Ort des "hohen Jagdvergnügens".

 

Der ganze Sinn und Zweck der Anlage bestand schließlich darin, das Wild komfortabel und so nah wie möglich an die Jäger zu bekommen. Um die zu erreichen, hatte man die Anlage unmittelbar an den Brunftplatz des Rotwildes gebaut. Darüber hinaus fütterte der auf dem Rieseneck bestellte "Wildwart" täglich hinter der Anlage. Hierzu begab er sich in das so genannte Blasehaus, in dessen Erdgeschoss im Übrigen das Futter lagerte, und blies aus dem oberen Fenster ins Horn. Das Wild lief in Erwartung des täglichen Buffets bereitwillig in die Jagdanlage. An das Signal gewöhnt, fanden sich die Tiere des Waldes nun auch an den Tagen auf dem Acker ein, an denen zur Jagd geblasen wurde. Die dicken Mauern um das Gelände herum ermöglichten es, den Jägern und Jägerinnen unbemerkt durch die Pirschgänge zu den Jagdschirmen zu gelangen um das Wild zu beobachten und zu erlegen.

Die Gänge verlaufen teilweise unterirdisch und sind mit Luft- beziehungsweise Lichtlöchern versehen. es empfiehlt sich also auch heute noch, genau auf den Boden zu sehen, wenn man oberhalb eines Jagdganges durch den Wald gehen will.

Wenn die Jagd zu Ende ging, begab man sich auf die ca. 300 Meter entfernte Wiese, die an das Grüne Haus angrenzt. Dieses verdankt seinen Namen dem auffälligen Anstrich und diente der Unterbringung und Versorgung der Jagdgesellschaften. Die gegenüberliegende Remise mit ihrem Heuboden wurde als Unterstellmöglichkeit für die Kutschen und Pferde während der Jagd genutzt. Weiterhin findet sich an diesem Ort ein Blockhaus, welches dem hier bestellten Wildwart als Unterkunft diente und ein Wildkeller, der für Abkühlung des erlegten Wildbrets vorgesehen war.

Das Grüne Haus stand einst östlich vom Blockhaus und war 2,5 Ellen in das feuchte Erdreich eingesunken. So entschloss man sich 1727 das Jagdhaus an höherer Stelle wieder zu errichten. Am und im "Grünen Haus" wurde dann das "Schüsseltreiben" abgehalten. Waren die Gesellschaften zu groß und zu viel "gemeinen Volkes" dabei zog man sich auch in den Hummelshainer Schlossgarten zurück.

 

Aufgrund veränderter politischer Verhältnisse sah man sich gezwungen, die Jagd in einer anderen Form zu betreiben und der bereits 1818 vom Jägermeister, Freiherrn von Ziegesar, entworfene Plan eines Tiergartens wurde zwischen Hummelshain und Trockenborn umgesetzt. 1831 trieb man aus den Jagdgebieten am Rieseneck und um Hummelshain ca. 170 bis 200 Hirsche in diesen ca. 850 ha großen Tiergarten ein. Von nun an fanden dies Jagden in diesem Tiergarten, der 1848 um die privaten Waldungen verkleinert wurde, statt. 1891 und 1894 hatte Herzog Ernst I. von Sachsen-Altenburg Kaiser Wilhelm II. mit Gefolge zur Jagd im Tiergarten zu Gast. Auch Herzog Ernst II. hielt noch vor dem 1. Weltkrieg Jagden im Tiergarten ab. 1918 wurde dieser aufgelöst. Die Jagdanlage hatte mit dem Bau des Tiergartens ihre Bedeutung für die Jagd verloren und wurde als Zeuge einstiger Jagdmethode durch das herzogliche Forstamt Hummelshain bis in die dreißiger Jahre des vorigen Jahrhunderts in annähernd intaktem Zustand erhalten.

Im und nach dem II. Weltkrieg gab es wenig Interesse am Erhalt dieser feudalen Anlage. Die Natur nahm sich den Bau Stück für Stück zurück und auch mutwillige Beschädigungen haben ihre Spuren hinterlassen. Im Jahre 1954 wurden mehr oder weniger erfolgreiche Versuche zur Erhaltung der Anlage unternommen, bis sich 1987 der Freundeskreis Rieseneck in Kleineutersdorf gründete um mit viel Ehrgeiz und Einsatz die Zeugen einstiger Jagd zu erhalten. Seitdem befinden sich alle Bauten des Riesenecks in annähernd gutem Zustand und stellen ein attraktives Ziel für Ausflügler dar, welches man mit eigenen Augen gesehen haben sollte. Erst dann wird man verstehen können, weshalb Ernst II. nach seinem Thronverzicht den Namen Freiherr vom Rieseneck wählte.